#JUblog
Unser neuer #JUblog ermöglicht es unseren Mitgliedern, ihre Meinungen zu bestimmten Themen zu sagen. Wir finden, dass wir es als Gesellschaft in weiten Teilen wieder lernen müssen, sachlich zu diskutieren und die Argumente des Anderen auch auszuhalten. Eine Debatte lebt von guten Argumenten! Diese sollten sachlich vorgetragen werden und niemanden persönlich verletzen.
In der JU gibt es keine vorgefertigten Meinungen, sondern unsere JUlerinnen und JUler haben ihre eigene Meinung zu unterschiedlichen Themen. In unserem #JUblog veröffentlichen wir sie, weisen aber auch darauf hin, dass es sich bei den Beiträgen im #JUblog nicht um eine Beschlusslage des JU Landesverbandes Braunschweig oder übergeordneter Verbände handeln muss.
Wenn ihr Anmerkungen habt oder eine gegenteilige Position vertretet, dann schreibt direkt dem Autor über die angegebene Kontaktadresse. Wir freuen uns auf eine spannende Debatte!
Viel Spaß beim Lesen und Mitdiskutieren.
Ein Debattenbeitrag von Tobias Wallner
Nach langem Hin und Her hat der Bund gehandelt, er hat eine einheitliche, bundesweite Notbremse durch eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht.
Die Regierenden in Bund und Ländern scheinen sich allerdings über das, was Fachleute, Ärztinnen und Pfleger seit Langem predigen und was seit Langem nahezu ungehört verhallt, nicht ganz klar zu sein: Es reicht nicht. Bei einer Inzidenz, die bundesweit deutlich über 100 liegt, und drohenden Engpässen auf den Intensivstationen, ist es für die ursprünglich angedachte Notbremse schon zu spät; der sprichwörtliche Karren ist schon an die Wand gefahren. Jeder Tag zählt nun.
Und die Bevölkerung ist da auch d’accord: In allen einschlägigen Umfragen werden große Mehrheiten für stärkere Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionslage festgestellt. Aber die Staatskanzleien erwecken nicht den Eindruck, sich dafür zu interessieren.
Die Bundeskanzlerin verteidigte die beschlossene Notbremse und bezeichnete sie als „überfällig“. Dabei hat sie sicherlich Recht, doch immer mehr Leute fragen sich, ob inzwischen nicht ganz andere Maßnahmen (über)fällig wären.
Stattdessen tun Regierende weiterhin so, als ob Grenzwerte für Maßnahmen so willkürlich verhandelbar wären wie die Fragen, ob fürs Freibad zwei oder drei Millionen beigesteuert werden und ob Hybridautos mit 5 oder 10 Prozent subventioniert werden. Sie sind es aber nicht. Es geht um eine medizinische Großlage, die MedizinerInnen fundiert bewerten können, und eine Systemdynamik, die von PhysikerInnen fundiert modelliert werden kann. Keine Möglichkeit sollte aber das Abwägen von den Menschenleben und der Gesundheit Tausender gegenüber diffusen Wirtschaftsinteressen und Freiheitsgefühlen sein, und zwar durch fachlich meist kaum qualifizierte SpitzenpolitikerInnen, auf Basis völlig intransparenter Kriterien. Man hört nur Floskeln, keine entschlossenen, durchdachten Maßnahmen, von denen ExpertInnen ernsthaft glauben, sie könnten Erfolg haben.
Für den aktuell in vielen Aspekten ausschlaggebenden Grenzwert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Nicht ohne Grund wurde im letzten Sommer eigentlich ein Wert von 35 vorgeschlagen. Anscheinend wurde dies nur aufgrund des „Eindrucks“ der MinisterpräsidentInnen, dass dies doch etwas zu viel des Guten sei, pauschal auf 50 geändert. Die 35 sollte lediglich als Vorwarnstufe dienen, die beim Erreichen getrost ignoriert werden konnte.
Der Parteivorsitzende einer der großen Parteien beklagte sich Anfang dieses Jahrs über das „Erfinden“ neuer Grenzwerte, bezogen wohlgemerkt auf den 35er-Wert, der zu diesem Zeitpunkt bereits monatelang im Gesetz stand. Beim tatsächlichen Erfinden des 100er-Wertes war er aber ganz vorne mit dabei. Mit diesem Wert, der bereits ein höchst intensives Infektionsgeschehen attestiert, ist es aber nicht genug: Jetzt gibt es auch noch die geradezu absurd hohe Inzidenzschwelle von 200. Dieser Grenzwert, für den es nicht die geringste Fundierung gibt, ist unter anderem für den Präsenzschulunterricht maßgeblich, der, vorsichtig formuliert, einen nachweislich nicht vernachlässigbaren Infektionsfaktor darstellt.
Letztendlich gibt es zwei Arten von Maßnahmen und ihren Grenzwerten: Entweder sie sind ausreichend, um die Ausbreitung des Virus signifikant einzudämmen, oder sie sind es nicht. Wie ausreichend die aktuellen Maßnahmen sind, die immerhin im Wesentlichen seit Anfang März Beschlusslage sind, kann in den Intensivstationen der Republik besichtigt werden.
Bevor man auch nur im Entferntesten an Lockerungen, Modellprojekte oder „Wege aus dem Lockdown“ reden kann, muss ein Zustand erreicht werden, in dem durch diese Öffnungen nicht tausende Menschenleben bewusst und grob fahrlässig riskiert werden. Ein stabiles Gleichgewicht, im physikalischen Sinne, ist laut Max-Planck-Institut (Priesemann et al., 2020) bei Inzidenzen in der Größenordnung von 7 (!) erreicht. Unter einem stabilen Gleichgewicht versteht man einen Zustand, in den ein System nach einer äußeren Störung selbsttätig zurückkehrt – im Gegensatz zum labilen Gleichgewicht, wo dies nicht der Fall ist. Lockert man nun, wie in etlichen Kommunen geschehen oder geplant, bei fast dreistelliger Inzidenz, kann jeder lokale Ausbruch eine Katastrophe bewirken. Auch das RKI empfiehlt daher als Schwellenwert eine Inzidenz von höchstens 50.
Wie unsere Regierenden da in ihren Sitzungen auf die Idee kommen, dass 100 und 200 gute Schwellenwerte für eine „Brücke zur Normalität“ seien, entzieht sich dem Verständnis vieler Menschen vollkommen. Wir haben nun mehr als ein Jahr Erfahrung mit einer Krankheit, die durch Mutationen nur noch gefährlicher wird. Jede naive Hoffnung auf den Sommer, auf das Durchhalten mit „mittleren Inzidenzen“, auf einen Rückgang der Infektionen wie durch Zauberhand sollte längst widerlegt sein.
Die allem zugrunde liegende Rechnung ist einfach: Ergreift man rigide Maßnahmen, sicherlich nicht in jeder Einzelheit perfekt und konsequent, aber doch im Ganzen stark, dann gibt es weniger Todesfälle, weniger Long-Covid-Erkrankungen. Ergreift man sie nicht, nicht schnell genug oder nicht umfassend genug, dann erkranken und sterben deutlich mehr Menschen. Die Regierenden täten sehr gut daran, deutlicher zu zeigen, dass ihnen klar ist, dass sie mit ihren faulen Kompromissen Menschenleben spielen. Dass jedes politische Taktieren allein durch die resultierende Zeitverzögerung Menschenleben kostet. Dass jedes Gerangel um Kompetenzen und alle Wahlkampfmanöver, die Beschlüsse durch Ausnahmen und Aufschübe aufweichen, Menschenleben kosten. Sie täten gut daran, zu zeigen, dass sie verstanden haben, dass man mit einer so erwiesenermaßen tödlichen Krankheit keine Kompromisse machen kann und bei ihrer Bekämpfung keine machen darf.
Ein Debattenbeitrag von Tobias Wallner, 12. April 2021
Wie wollen wir morgen von A nach B kommen? Wie stellen wir uns die Mobilität der Zukunft vor? Die Beantwortung dieser Fragen wird entscheidend sein für das Erreichen der deutschen Klimaziele – und für die zukünftige Entwicklung des Wohlstandes in unserem Land.
Ein Debattenbeitrag von Julius Nießen
Klimaneutral sollte die Mobilität von morgen sein, natürlich. Der Verkehrssektor trägt in Deutschland immer noch einen guten Teil zu den Treibhausgasemissionen bei und muss langfristig CO²-neutral werden. Genauso sind wir aber auf moderne und gut ausgebaute Verkehrssysteme angewiesen, um allen Menschen in unserem Land, Jungen wie Alten, Landbevölkerung und Großstadtbewohnern, größtmögliche Mobilität und damit Flexibilität und Lebensqualität bieten zu können.
Die junge Familie in einer ländlichen Region hat andere Bedürfnisse, als ein Pärchen in der Großstadt, die Seniorin in der Millionenstadt legt ihre Wege anders zurück, als ihre Freundin im abgelegenen Hundertseelendorf, Schulwege können nach ein bis zwei Minuten zu Fuß bewältigt sein, oder sich über eine Entfernung von 20 Kilometern erstrecken. All diese Menschen haben den berechtigten Anspruch, das für sie bestmögliche Mobilitätsangebot zu bekommen und idealerweise unter verschiedenen guten Optionen wählen zu können – ohne dabei Emissionen zu verursachen.
Wichtig ist es, die verschiedenen Verkehrsträger nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie gemeinsam als ganzheitliches System zu betrachten, das am besten funktioniert, wenn die Einwohner unseres Landes zwischen vielen guten die Wahl der für sie besten Option treffen können und die Systeme ineinander greifen, sich gegenseitig entlasten. In Zukunft sollte es keine mahnenden Blicke mehr für jemanden geben, der das Auto dem Zug vorzieht, niemand sollte aus schlechtem Gewissen auf Flüge verzichten müssen und selbst Kreuzfahrten sollten wieder unbeschwert angetreten können. Weil Fahrzeuge mit erneuerbaren Antrieben keinen CO²-Ausstoß haben, weil Flugzeuge und sogar Schiffe, die von E-Fuels angetrieben werden, keine fliegenden oder schwimmenden CO²-Schleudern mehr sind. Autos, Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe werden auch in Jahrzehnten noch einen Platz in unserem Verkehrssystem haben, allein als Transportmittel sind sie unverzichtbar. Es werden nur etwas andere Autos, Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe sein.
Entscheidend für das Gelingen: Der Anteil der Erneuerbaren Energien an unserem Strommix wird in den kommenden Jahren schnell weiter ausgebaut, um in möglichst kurzer Zeit nur noch und auch ausreichend viel Erneuerbare Energie, unter anderem für den Unterhalt unserer Verkehrssysteme, zu produzieren. Es werden zielführende Anreize und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die einen schrittweisen Umbau aller Verkehrsträger in Richtung CO²-Neutralität ermöglichen. Anreize für den Verbraucher, Anreize für die Wirtschaft und Rahmenbedingungen, die Forschung und Entwicklung in Deutschland attraktiv machen und technologieoffen ohne politische Vorgaben bezüglich möglicher Antriebssysteme der Verkehrsträger auskommen. Und es werden in alle Systeme genügend Mittel investiert: Die Entscheidung darf nicht zwischen dem Ausbau der Autobahn und dem Ausbau der ICE-Schnellfahrstrecke fallen, der Bau der Umgehungsstraße und der eines neuen Fahrradweges oder einer Fahrradautobahn dürfen nicht mehr miteinander um Finanzierung konkurrieren, es darf nicht zwischen Investitionen in den ÖPNV oder in die Ladeinfrastruktur entschieden werden müssen – alles ist wichtig, eine gute Infrastruktur ist für den Erfolg und die Lebensqualität eines Landes entscheidend. Und: Gibt es verschiedene gute Optionen auf einer Strecke, werden auch volle Pendlerzüge, kilometerlange Staus und Schulbusse, die Schüler aus Platzmangel nicht mehr mitnehmen können, zumindest in ihrer Häufigkeit hoffentlich der Vergangenheit angehören.
Keinen Fortschritt erzielen wir übrigens, wenn wir bestimmte Verkehrsträger in ihrer Attraktivität vorsätzlich einschränken, etwa indem bewusst Fahrspuren oder Parkplätze geschlossen werden, um so andere Verkehrsträger – bei gleichbleibender Qualität – im Vergleich besser aussehen zu lassen. Unter diesem Irrweg leidet nur die Lebensqualität. Das kann nicht unser Anspruch sein!
Das Fahrrad, Busse und Züge sind die Zukunft! Autos, Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe dürfen aber in Zukunft nicht mehr Teil des Problems sein, auch sie müssen Teil der Lösung werden.
Ein Debattenbeitrag von Julius Nießen, 12. Februar 2021
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Seit einem Jahr befindet sich Deutschland im Lockdown. Im Turnus einiger Wochen sitzen Bund und Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zusammen und verkünden im Anschluss ihre neuesten Beschlüsse. So auch am vergangenen Mittwochabend. Was auffällt: Es fehlt eine echte Strategie für die Rückkehr zur Normalität und eine Begründung, warum zwar Friseure mit Hygienekonzept öffnen dürfen, Museen, Fitnessstudios oder der Einzelhandel aber nicht. Die größten Sorgen mache ich mir aber um die Jüngsten in unserem Land.
Ein Debattenbeitrag von Maximilian Pohler
Dieses Corona-Virus ist gefährlich und seine Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika sorgen zurecht für eine besondere Vorsicht. Gleichzeitig zeigen sich allmählich die tiefen Risse in unserer Wirtschaft und Gesellschaft, die Corona unabhängig von seiner biologischen Wirkung hinterlässt. So wichtig und richtig das vorübergehende Runterfahren unseres Landes auch war, es ist Zeit, dass wir nun endlich einen Plan entwerfen für eine dezidierte Lockerungsstrategie, und zwar vor dem 07. März.
Dabei müssen Schulen und Kitas im Vordergrund stehen, sie müssen unverzüglich bei Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln geöffnet werden, damit wir nicht noch weiter die Bildungsbiografien der Jüngsten in unserem Land schädigen. Es mag sein, dass Familien mit einem guten finanziellen Auskommen und einem stabilen sozialen Gefüge diesen Lockdown und auch noch einen weiteren halbwegs unbeschadet überstehen. Viele Kinder aus weniger sozial-starken Familien werden dies jedenfalls nicht tun.
Schon heute klagen Lehrer über die erheblichen Defizite der Schüler, die sich in nur wenigen Monaten des Corona-Lockdowns eingestellt haben. Wenn das Lesen und Rechnen verlernt wird oder zuhause kein Deutsch gesprochen wird, hilft auch das neue Tablet aus Bundesmitteln nicht, dessen Lieferung manche Politiker als großen Erfolg der digitalen Bildung verkaufen wollen. Die Bildung der Kinder leidet derzeit massiv und wir dürfen dies nicht länger hinnehmen. Es hat eben nicht jedes Kind Eltern, die den Schulunterricht ersetzen können und wollen. Wo aber das Können oder die Bereitschaft der Eltern zur Unterstützung nicht vorhanden ist, dürfen wir die Kleinen nicht im Stich lassen. Niedersachsen geht insofern einen richtigen Weg und lässt seit Monaten den Wechselunterricht laufen. Hinzutreten muss eine kluge Teststrategie an den Schulen. Mittlerweile alles keine Raketentechnik mehr.
Die Beschlüsse der MPK von Mittwochabend sind kein großer Wurf, sie lassen es an Begründungen mangeln, warum zwar Friseure mit Hygienekonzept ab 01. März öffnen dürfen, Museen und Fitnessstudios aber geschlossen bleiben müssen. Meiner Meinung nach brauchen wir auch im Einzelhandel schnelle, stufenweise Öffnungen, und zwar schon vor dem 07. März. Wenn der große Supermarkt exakt 626 Kunden erlaubt, warum darf dann das Kaufhaus mit der gleichen Gesamtfläche unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln nicht auch Socken verkaufen?
Sprechen wir also endlich mal über eine Perspektive für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft, statt uns mutlos von MPK zu MPK zu hangeln. Der Deutsche Bundestag ist ein exzellenter Ort hierfür. Debatte findet dort aber in der Regel vor der Beschlussfassung statt.
Ein Debattenbeitrag von Maximilian Pohler, 13. Februar 2021
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